Reproduktion antisemitischer Stereotype in Aventurien

Update Januar 2024: die Ulisses Redaktion hat eine grundsätzliche Überarbeitung der Grolme angekündigt. Alle Kritik entstand davor im Jahre 2020.

Die bisherige Beschreibung der Grolme ist geprägt von antisemitischen und antiziganistischen Denkweisen. Eine bloße (schnelle) Überarbeitung der Grolme wäre nicht ausreichend und würde dem eigentlichen Anliegen nicht gerecht werden. Wir als Firma wollen diese rassistische Darstellung auf keinen Fall verbreiten.

Alex Spohr

Im Pen and Paper Rollenspiel „das Schwarze Auge“, kurz DSA, werden Regionen und Kulturen an irdischen Vorbilder angelehnt. Da die DSA Redaktion seit gut 30 Jahren von weißen Deutschen dominiert ist, sind die Darstellungen dieser Anleihen Karrikaturenhafter je entfernter die aneignete Kultur von der Lebenswirklichkeit des durchschnittlichen Deutschen ist.

Andere Kulturen als Gemischtwarengeschäft zur eigenen Belustigung zu betrachten ist was man in progressiven Diskursen als „kulturelle Aneignung“ bezeichnet. Ob das ein schöner kultureller Austausch ist oder eine weitere Ausbeutung, kommt jeweils im konkreten Fall an, nicht zuletzt darauf wie die Machtverhältnisse zwischen den austauschenden Kulturen sind. Eine weiße US-Amerikanerin in Lederhose stört kaum einen Bayern, während traditionellen Federschmuck tragen im Kontext der Unterdrückung der indigenen Völker Amerikas als Verletzend gesehen wird.

Struktureller Antisemitismus

Als strukturell antisemitisch werden Ideologien bezeichnet, die sich nicht ausdrücklich gegen Juden richten, aber dem „klassischen“ Antisemitismus von ihrer Begrifflichkeit und Argumentationsstruktur her ähneln.[…]

Wikipedia

Das Rollenspiele mit der Gewohnheit sich bei anderen Gruppen zu bedienen ohne Reproduktion von strukturellen Antisemitismus aus käme wäre eine Überraschung. Dazu müsste man tradierte Stereotype nämlich kennen und hinterfragen.

Vertrieben wird DSA von Ulisses Spiele. Das ist die Firma die, um nur zwei Beispiele zu nennen, unbedarft kurzzeitig den Landser vertrieb als man das Angebot eines anderen Verlags listete. Und auch einen Penislängenbonus für schwarze Menschen in eines ihrer Bücher schrieb – alles jeweils bis zum Aufschrei der offenbar besser informierten Fan-Öffentlichkeit.

Zu sagen , dass bei Ulisses das kritische Bewusstsein um Stereotype „noch am Anfang“ steht, ist also keine bösartige Unterstellung. Zur Wahrheit gehört aber auch: für mich hat Ulisses glaubwürdig jedes mal etwas gelernt und die Fehler so gut es geht behoben.

Das Verlagshaus muss sich nicht grämen, es ist in guter Gesellschaft die eigene Kultur und unkritisch als „Kulturschatz“ zu pflegen. Erinnert sei an die Debatte um die deutsche Leitkultur. Unter dem Tisch fällt dabei, dass der „Schatz“ von Sexisten, Rassisten, Judenhassern und Imperialisten vergaben wurde. Mir wurde z.B. erst bei der Recherche für diesen Text bewusst, dass die Gebrüder Grimm auch Antisemiten waren.

Salop gesagt greift man auf deutsche Sagen,Märchen und Überlieferungen zurück hat man eine gute Chance ins Klo zu greifen. Im Fall der Kreatur Grolm und der Menschlichen Kultur der Norbaden hat man diese Chance gut genutzt und viele Klischees über Juden integriert.

Hinweis: Ich bin selbst keine Jude und habe mich auch jenseits vom Geschichtsunterricht auch wenig mit Antisemitismus auseinandergesetzt. Das das was ich hier aufzähle tatsächlich antisemitische Klischees sind habe ich mir von einer Antisemitismusforscherin bestätigen lassen. Die Behauptungen und Fehler bleiben aber meine eigenen.

Für Ortsfremde

Aventurien ist ein Fantasie-Kontinent der in DSA bespielt wird. Er erinnert an Mittelerde aus Herr der Ringe ist aber sehr viel detaillierter beschrieben. Wer einen Eindruck der Fülle gewinnen will kann sich mal im Wiki Aventurica umschauen.

Was sind eigentlich Grolme?

Die Grolme sind eine ausgedachte Spezies , die neben Menschen, Elfen und Zwergen usw. die Spielwelt von „Das schwarze Auge“(DSA) bevölkern. Grolme sind goldgierige Händler, die mit (magischen) Manipulationstechniken arbeiten um ihren Gewinn zu mehren.

In ganz Aventurien sind Grolme berühmtberüchtigt für ihre Goldgier und Geschäftstüchtigkeit, die ganz darauf ausgelegt ist, den Handelspartner zu benachteiligen.

Aventurisches Bestiarium 2016 S.32 Ulisses Spiele – ISBN 978-3957521187

Was hat das denn mit Juden zu tun?

Der Abschnitt oben liest sich alleine harmlos, aber beim durchblättern einer Weltbeschreibungen von Aventurien ist mir aufgefallen, das Grolme sehr an eine Klischeevorstellung von Juden erinnern. Die Parallelen in Bild und Text der Beschreibung sind sehr zahlreich.

Die zentralen Elemente des „grolmischen“ und des Antisemitischen Judenbilds sind das gleich: hinterlistiger, gieriger Händler.

Bilddarstellung

Ich staunte nicht schlecht, als das Bild für Grolme im Aventurischen Bestiarium sah: Grolme sind mit übergroßen Köpfen von Haus aus Karikaturen, zusammen mit der Halbglatze und der schiefen Körperhaltung könnte man meinen, dass das Bild des Grolms auf einer Antisemitische Karrikatur basiert die als Internet Meme Karriere gemacht hat. Die Illustration des Grolms orientiert sich aber viel mehr an denen aus früheren Publikationen. Diese liegen zeitlich deutlich vor der Verbreitung des happy merchant Memes.

Illustration Grolm – Aventurisches Bestiarium 2016 S.32 Ulisses Spiele – ISBN 978-3957521187
Antisemitische Karikatur „happy Merchant“
ADL- Hate on Display™ Hate Symbols Database – Eintrag , Know your Meme – Eintrag

Die Bildsprache für „gieriger, zwielichtiger Händler“ ist aber nochmals deutlich älter als die diskutierten Abbildungen. Leider gilt das auch für Judenfeindlichkeit, die wenigstens bis in die Antike zurück reicht. Beide Bilder greifen auf die selben Stereotype zurück. Der deutsche Antisemitismus ist weder mit Hitler geboren worden noch hat er nach 45 aufgehört, man kann sich nicht mit dem Bezug auf Sagen und Märchengestalten die ebenfalls antisemtisch sind und dem Grolm ähneln gegen die Kritik immunisieren. Ich wäre gewillt gewesen das als „dummer Zufall“ ab zu tun, wenn dann nicht auch noch der Text dazu käme, der weitere judenfeindliche Klischees wiedergibt und die Grolme noch mehr als Juden Aventuriens erscheinen lässt.

Textdarstellung

In diesem Abschnitt wird auf 2 Quellen im Bezug auf Grolme zurück gegriffen: „Aventurisches Bestiarium„(2015) , eine Beschreibung von Fauna in der Spielwelt von DSA, und „Historia Aventurica„(2015), einem „inner-aventurischem“ Geschichtsbuch.

Juden im Weltraum

Die Idee, dass es eine Gruppe (Volk, Rasse, Spezies) geben müsste die sich auf Handel spezialisiert und deshalb natürlich gierig und gemein sein muss, ist nichts was man dem schwarzen Auge oder auch nur dem gerne der Fantasie alleine zuschreiben kann. Es ist ein allgemeiner Topos. Im Science Fiction Genre kennt man als „Space Jews„, deutsch Weltraumjuden. Das Juden besonders häufig Handel trieben ist ein Märchen, es lag nicht „jüdischen Wesen“ sondern an Zinsverboten für Christen, das Geldwechsler oft jüdisch waren und schon damals als Ikone für Kritik an der Geldwirtschaft herhalten mussten. Genauso wenig sind „die Juden“ eigenbrötlerisch und bleiben lieber unter sich weil sie „halt so sind“ als das sie buchstäblich seit Jahrhunderten ausgestoßen wurden, was erst im 18. Jahrhundert mit der sogenannten Judenemanzipation langsam ab nahm.

Diese Verknüpfung von Handel und Bösartigkeit verweist auf einen allgemeinen Zeitgeist mit schlechtem Menschenbild. Ist es nicht viel mehr so, dass man durchaus Handel treiben kann aus guten Motiven, einfach um die Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen? Immer wieder zeigen Studien, dass Menschen (und auch einige Tiere) sehr ablehnend auf soziale Ungleichheit reagieren. Ein Händler der ständig seine Kunden übervorteilt hätte einfach bald keine Kunden mehr. (Wenn keine Zwangslage vorliegt)

Das Klischee des gierigen Händlers ist seit Jahrhunderten Antisemitisch geprägt.

Als Rollenspielbuch machen die Texte Setzungen für ihre Spielwelt. Wenn in einem Wertekasten zu einem Lebewesen „Goldgier“ als Eigenschaft steht, wie es bei den Grolmen der Fall ist, wird das zu einem prägenden Merkmal für alle Grolme.

Grolme sind keine Menschen, obwohl sie diesen grundsätzlich ähnlich sehen. Die Entmenschlichung, das „othering“, ist ein Mechanismus mit dem sich gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit selbst rechtfertigt.

Den Ork, den Zombie darf man verachten und töten – denn es sind ja keine Menschen. Ähnliches wurde über auch Juden gesagt. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ ist z.B. so ein Spruch. Noch heute glaube viele Ärzte Schwarze hätten ein reduziertes Schmerzempfinden. All das ist ein Erbe aus der Zeit als man Misshandlungen dieser Gruppen beschönigen wollte.

Die aktuelle 5. Edition von „das schwarze Auge“ spricht zwar nicht mehr wie die vorherigen von Rasse sondern Spezies. In einer kritischen Lesart kann man aber den Grolm als vollständig rassifizierten, entmenschlichten Juden interpretieren.

Die Geschichte der Grolme

Warum ein Fass aufmachen wegen einer unglücklichen Illustration und dem gierigen Händler Topos? Weil die Geschichte und der soziale Stand der Grolme auch sehr ähnlich sind. In der „Historia Aventurica“ wird die ganze bekannte Geschichte Aventuriens wie in einem Geschichtsbuch zusammengefasst. Über die „Dunklen Zeiten“, was die DSA Version der Antike ist, steht dort, dass die Grolme aus der größten Stadt der Zeit Bosparan (welches sich laut offizieller Setzung an Rom anlehnt) gewaltsam vertrieben wurden. Was genau das selbe ist was den Juden in Rom geschehen ist. In der Tradition antisemitischer Narrative wird in Aventurien die Schuld für ihre Ausrottung den Grolmen selbst zugeschrieben sie haben extrem gierig die Bevölkerung ausgepresst und so den Zorn des Volkes auf sich gelenkt. Außerdem lassen Grolme gerne Sklaven anderer Spezies für sich im Bergwerk schuften.

Der Exodus der Grolme
Während das Bosparanische Reich im Chaos der hereinbrechenden Dunklen Zeiten darniederliegt, sieht das Volk der Grolme die Gelegenheit gekommen, um sich an der Not der Menschen zu bereichern. Dabei haben sich die Grolme aber verkalkuliert, denn nach Jahren der grolmischen Preistreiberei und Überwucherung, schlägt der Zorn der Menschen auf einzelne Wucherer in Hass auf die ganze Grolmenheit um. So kommt es 500 v.BF in Bosparan zum Grolmenkrieg, in dem sämtliche Grolme der Stadt getötet, eingemauert oder vertrieben werden.
Anderen grolmischen Siedlungen des Reiches ergeht es ähnlich. Die überlebenden Grolme wandern aus…[..]

Im Bann des Diamanten – aus der dunkle Zeiten Box S. 31

Die Grolme leben jetzt genauso heimatlos in einer Diaspora, wie die Juden vor der Gründung Israels. Auch wenn Exodus, wie viele Begriffe aus der Bibel, in die Alttagsprache übergegangen sind so ist Exodus ein Bibelzitat und Rückt die Grolme in die Nähe der biblischen Juden.

Zusätzlich gibt es dann noch ein Theaterstück aus dem im Bestiarium zitiert wird: „Der Feilscher von Festum“ ist angelehnt an „Der Kaufmann von Venedig“, ein
antisemitisches Werk von Shakespeare. (Diese Einstufung als Antisemitisch ist umstritten, das dort auch entsprechende Stereotype bedient werden nicht.)

Grolme sind laut Bestiarium unreligiös aber ab und zu verehren Geister. Einige dieser Geister sind Dämonen die sich für Geister ausgeben. In Aventurien sind Dämonen nicht Sinnbild für das Böse sondern seine wahrhafte Verkörperung, so wie Magie als echt gesetzt ist, so ist das Seelenheil. In Aventurien können die Geweihten genannten Priester mit der Kraft ihrer Götter Wunder wirken. In der Geschichte der Welt gab es erst vor 20 Jahren einen Weltkrieg gegen Dämonenanbeter. Damit sind Grolme als mit dem „Bösen im Bunde“ gesetzt.

Aber

Es gibt praktisch nichts schlechtes was Juden nicht schon nachgesagt worden ist. Und es gibt auch Unterschiede zwischen Juden und Grolmen. Grolme sind im wesentlichen unreligiös. Sie haben Augen in stechenden Farben wie weiß, die Nase des Grolms ist keine Hakennase. Die Grolme tragen keine Nahmen wie Rahel, Schlemihl oder Feivel. Die grolmische Sprache hat keine Ähnlichkeiten mit jiddisch oder hebräisch. Auch laufen sie nicht mit Davidstern und Schläfenlocken herum oder leiten Banken.

Zusammenfassung

Die Liste von Parallelen zwischen Grolmen und Judendarstellung in NS-Propaganda ist zu lang um sie nicht zu problematisieren.

Grolmantisemitsiches Klische von Juden
 Übergroße Ohren✔️✔️
Übergroße Nase✔️✔️
sehen aus wie Menschen, sind aber keine✔️✔️
Hände reiben✔️✔️
Krumme Körperhaltung✔️✔️
spitzer Haaransatz✔️✔️
gierig✔️✔️
wurden aus Ihrer Heimat vertreiben✔️✔️
Leben in Diaspora✔️✔️
Giftmischer✔️✔️
Händler✔️✔️
gerissen/hinterhältig✔️✔️
mit Dämonen im Bunde/ böse Magie / falscher Glaube ✔️✔️
eine lange Liste unglücklicher Zufälle?

Der ehemalige DSA-Autor Uli Lindner bestätigte mir gegenüber, dass die Parallelen unter Autoren und in der Community durchaus diskutiert wurden, vor allem aber bei den Norbarden. Er wieß mich auch darauf hin, dass die Setzung der grolmischen Geschichte bereits vor der „die dunkle Zeiten“-Box aus der 4. DSA Edition erfolgt war und dort nur ausführlicher nieder geschrieben wurde. Allerdings wurde die Gelegenheit auch nicht genutzt etwas an der bisherigen Beschreibung zu ändern. Ein sogenannter Recon, also eine Veränderung des vorherigen Kanons gab es bei DSA immer wieder mal. Hier nicht. Im neueren Bestiarium findet sich aber nichts von der Verfolgungsgeschichte. Auch in neueren Publikationen werden die schon immer nur selten auftauchenden Grolme auch nicht so dargestellt, wie man es aus dem Bestarium erwarten könnte. So wird in der Zeitung der Spielwert, dem „Aventurischen Boten“, in Ausgabe 194 berichtet, dass ein Grolm nun an einer Magieschule seine Tradition der Magie unterichtet, ohne diesen als Händler oder außergewöhnlich gierig zu charakterisieren. Diese Auslassungen bzw. Wandel in der Darstellung lassen hoffen, dass auf die unnötige weitere heranrückung der Grolme an Juden durch die Verfolgungsgeschichte in der 5. Edition unterlassen wird. In ein ähnliches Horn stößt dieser Facebookpost vom Verlag bei dem den englischen Fans erklärt was ein Grolm ist und ebenfalls sagt, dass sie nicht alle böse sind.

Norbarden

Erinnert ihr euch noch als ich gelobt habe, dass die Grolme kein Jiddisch sprechen? Ratet mal wo man sich für die Sprache der Norbarden bedient hat! Genau, wäre auch zu schön gewesen wenn der Fantastik-Alman wenigstens das hätte sein lassen können. Konnte er nicht. Hadmar von Wieser, DSA Author, erzählt in dieser Diskussionsrunde, dass er die Anlehnung an das jiddische gewählt hat weil er damit schöne Erinnerungen seine jüdische Oma verbindet. Hier entblöße ich mich selbst. Die Idee einer Selbstdarstellung ist mir nie gekommen. Das einzige was ich erkennen kann ist die Negativdarstellung, denn eine Positivdarstellung jüdischer Kultur ist mir fremd.

Norbarden sind ebenfalls Händler so wie die Grolme. Sie reisen in matriachalen Familienverbänden, genannt Meschpoche (Anspielung auf das jiddische Mischpoke), durch den hohen Norden Aventuriens . Auch sie haben eine Vertreibungsgeschichte, sogar mehrere.

Aber im Gegensatz zu Grolmen ist die Darstellung der Norbarden facettenreicher und man kann einen Norbarden auch sympathisch finden. Die Kultur der Norbarden ist eine Mischung Sinti/Roma , Mongolen, Russen und kreativen eigenen Anteilen, sodass es mir persönlich hier weniger wie eine dumpfe Schablone des „gierigen Juden“ erscheint.

Aber hätte man nicht einfach auf die allzu offensichtlichen Hinweise auf unsere Welt sein lassen können? Ich sage: ja. Und man hätte gut daran getan.

Hier sieht man jedoch, dass wenn sich die Redaktion bewusst ist, dass sie hier ein schwieriges Erbe des ältesten und größten deutschen Rollenspiels in der Hand hat dazu in der Lage ist aus einem als Klischee angelegten Topos eine phantasiervolle Kultur zu machen.

Fazit

Ich will einfach kein Aventurien, dem man anmerkt, dass es 30 Jahre alt ist und in vielen gesellschaftlichen Debatten in dieser Zeit hängen geblieben ist. Relikte wie die oben genannten oder Militäroperationen die „zufällig“ gleich heißen wie Aktionen der Nationalsozialisten zur Vernichtung der Juden kann ich nicht witzig finden.

Aventurien ist so offensichtlich mit einer weißen Hemdsärmeligkeit entstanden, dass es schmerzt. Die Idee das es witzig/cool oder auch in Ordnung wäre aus aller Herren Länder Aspekte wild zusammen zu würfeln um exotische Abenteuer zu erleben ist der zentrale Fehler der weißen Phantastik. Damit ist die DSA Redaktion nicht allein, aber Ulisses ist halt die einzige Firma bei der es mir nahe geht. Als Fan eben. Einige der wenigen Firmen wo ich zumindest die Hoffnung habe, dass die „Vogelstrauß-Taktik“ nicht der dominante Umgang mit dem eigenen Handeln ist.

Vogel Struaß-Taktik: Quelle Internet

Die heutige DSA Redaktion besteht vor allem aus Hardcore DSA Fans. Die diese Welt so kennen gelernt haben und mögen. Selbst in diesem Bewusstsein fällt es mir schwer zu verstehen wie man die Grolme noch so gestalten kann wie wir sie bis heute in DSA sehen. Einerseits wird so viel Arbeit und Recherche in die Veröffentlichungen gesteckt und dennoch solche Fehler gemacht.

Ich finde diese Wiedergaben von Klischees von marginalisierte Gruppen keine Bereicherung für mein Rollenspiel, es ist auch nicht so als ob dort für Unterschiedliche Menschen eine Identifikationsfläche entstehen würde. Für die mehrheitlichen weißen männlichen Spieler und Autoren die in ihrer Sensibilisierung der Mehrheit der Deutschen entsprechen mag das alles coole „Eastereggs“ sein. Für mich sind es Schandflecke.

Und da es immer wieder zu Verwirrungen kommt: Ich glaube nicht, dass die Spielerschaft oder die an DSA Schaffenden besonders Diskriminierend sind. Aber wie sagt man so schön: mein Fuß tut auch weh, wenn du aus versehen drauf getreten bist. Ich stelle niemanden in die „rechte Ecke“ ich möchte vielmehr sagen: das ist unser aller Haus und da liegt Dreck. Dreck der da schon so lange liegt, dass man meinen könnte er gehört zur Einrichtung.

Edit: Rechtschreibung, Zitat dunkle Zeitenbox eingefügt, Exodus erwähnt, Klarstellung zum jiddischen.

Hinweis:

Screenshot aus einem Video, es ist ein Kuchendiagramm zu sehen mit Organisationen an die Ulisses Spiele die Mehrwertsteuersenkung spendet. Die Origanisationen sind: ärzte ohne der grenzen, der deutsche tierschutzbund, die amadeu antionio stiefutng, bärenherz, ecosia und prout at work
Slide auf der Ulisses Onlinecon 2020, wohin die Mehrwehrsteuer-Ersparnis gespendet wird.
unter anderem die Amadeu Antionio Stiftung, die wichtige Bildungsarbeit zu Antisemitismus und Rassismus leistet

52 Kommentare zu „Reproduktion antisemitischer Stereotype in Aventurien

  1. Rollenspiel lebt vom Spiel mit den Klischees. Dummerweise funktioniert das aber so gut, weil allzu oft auch im eigenen Kopf die stereotypen Vorurteile fest verankert sind. Das zu ändern, daran muss jeder selber arbeiten.

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    1. Nicht alle Klischees sind gleich und warum es notwendig sein soll soviele in einer Fantasiekreatur zu vereinigen erschließt sich mir nicht. Scheinbar ging es in der Orklandtriologie doch auch ohne, wenn man Steembrini’s Artikel glaubt. (Habe es nicht nachgeprüft)

      Das Rollenspiel teilweise vom überzeichnen lebt, meinetwegen, aber negative Klischees die all zu sehr an das ekligste Anschließen was die Deutsche Kultur hervorgebracht hat gebündelt? Da kann ich gut drauf verzichten.

      Natürlich interpretieren wir die Welt durch unsere Sozialisation. Ein guter Autor wählt seine Topoi mit bedacht, weil er sie kennt.

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      1. Naja, die Orkland-Trilogie insgesamt ist etwas das man vergessen sollte. Da sind ein paar interessante Sachen drin (naja, eigentlich nur der Turm), der Rest ist aber bestenfalls peinlich oder voller Logiklücken. Und neben den Grolmen ist auch die Darstellung der Achaz übelst.

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  2. Es ist nicht ganz korrekt, dass die Juden „nur ausgegrenzt“ wurden.
    „Unter sich zu bleiben“, ist zentraler Bestandteil ihrer religiösen, kulturellen und damit – zumindest für manche -auch nationalen Identität.
    Diese Aussage ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern stammt fast wörtlich von einem ehemals orthodox lebenden jüdischen Bekannten von mir.

    Demnach ist Beweggrund für diese Abgrenzung nicht irgend eine Form von Verachtung den anderen gegenüber, sondern der Versuch, die nationale (Religion lässt sich dabei davon nicht trennen) Identität auch in der Fremde zu wahren – was als göttlicher Auftrag begriffen wird.
    Ich bin auf dem Feld sonst keineswegs bewandert, fand diese Erläuterungen aber allgemein zu interessant, um sie unerwähnt zu lassen.
    Ich könnte mir vorstellen, dass diese interne Abgrenzung die vorbehaltlose Integration von Juden in eine mittelalterliche Gesellschaft zumindest verkompliziert hat.
    Vermutlich wurde die erst mit zunehmender Säkularisierung auch der Juden überhaupt erst möglich. Auch die „Judenemanzipation“ wäre demnach ein beidseitiger Prozess gewesen.
    Interessant finde ich auch den im DSA-Forum aufgekommenen Hinweis, dass fast dieselben Klischees in Gegenden, wo es keine Juden gibt, anderen „Händlervölkern“ (Chinesen in Asien, Indern in Südafrika) zugeschrieben werden.
    Möglicherweise ist unser mitteleuropäischer Ansatz, sie als ausschließlich antisemitisch zu begreifen, genauso kulturimperialistisch wie die Annahme, nur Europa habe in der Antike Geschichtswürdiges hervorgebracht.
    Andererseits: Die ersten DSA-Autoren waren nunmal weiße männliche Deutsche und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass „ihr“ Klischee vom gierigen Händler eher auf der Beschreibung von Juden als auf der von Indern fußt.
    Übrigens: Zur Geschichte der Grolme – die wurde bei ihrem Erstauftritt in DSA1 nicht thematisiert, weil es sie schlicht nicht gab. Ebenso wenig wie eine Geschichte der Orks oder der Goblins oder der Elfen.
    Es ist aber eine interessante Frage, welche tief in unserer kollektiven Vorstellung verwurzelten Vorstellungen die späteren Autoren dazu gebracht haben, den Grolmen ausgerechnet diese Geschichte zu „verpassen“. Das hätte man nämlich in der Tat nicht tun müssen.
    Von daher vielen Dank für diesen zum Denken anregenden Post.

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    1. Mir hat die Antisemitismus-Forscherin davon abgeraten die Ausgrenzung der Juden als logisch dar zu stellen. Weil das schnell rechtfertigend wirkt. Ja streng praktizierende einer Religion heiraten in der Regel innerhalb ihrer Religion. Mein Opa hätte auch keine protestatin mit nach Hause bringen können. Wenn du die das deutsche jüdische leben in den 1930gern.anschaust wirst du da keine vorherrschende abkapslung finden.

      Irgendwann nach der orklandbox wurden aus lustigen Kobold Artikeln grolmen auf einmal dieses Stereotypenbündel.

      Ich nehme für mich nicht in Anspruch, dass meine Lesart die einzig mögliche ist.

      Über Kolonialismus in DSA habe ich ebenfalls einen Beitrag geschrieben.

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      1. Ich weiß nicht, ob die Abgrenzung logisch ist – sie betrifft und betraf sicher auch Anfang des 20. Jahrhunderts lange nicht mehr alle Juden im selben Maße. Aber eine inklusive Religion ist das Judentum schon von sich aus anscheinend einfach nicht.
        Eine besonders Offensive aber auch nicht.
        Das jetzt nur als Feststellung.

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    2. Was richtig ist: Judaismus kennt keine „Mission“ im christlichen oder islamischen Sinne. Das Bild, das häufig benutzt wird, ist das des leuchtenden Bergs Zion. Leuchtend, weil das Volk des Bundes mit Mose nach dem Gesetz (Tora) lebt und es ihnen dabei derart gut geht, dass die anderen Völker zu ihnen kommen und dann ebenfalls nach dem Gesetz leben wollen.
      Auch richtig ist, dass es schon immer isolationistische Strömungen gab.

      Allerdings wird hier das Ross zum Reiter gemacht, denn die Diaspora und Verfolgung der Juden ist der Grund, weshalb überhaupt die Notwendigkeit gesehen wurde, im engen Kreis Tora und Tradition zu wahren. Dass daraus ein sich-selbst-verstärkender Mechanismus werden kann, scheint mir ebenfalls offenbar.

      Historisch war der Judaismus an all jenen Orten „problematisch“, an denen Staat und religiöser Kult eng ineinandergriffen (ähnliches gilt auch für das Christentum): ein monotheistisches Glaubenbekenntnis kann logischerweise den römischen oder babylonischen Gottkaiser nicht als solchen anerkennen und ist damit höchst suspekt.

      Ist auf jeden Fall eine komplexe Frage, aber vieles deutet darauf hin, dass es überwiegen äußerer Druck war, der es notwendig gemacht, einen starken inneren Zusammenhang innerhalb der Gemeinde zu etablieren.

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      1. @hasran

        Danke für deine Erläuterungen.
        Ich wollte nur noch mal versichern, dass ich es durchaus so aufgefasst habe, als sei die Diaspora und der daraus folgende Versuch, auch in der Fremde die nationale und religiöse Identität zu wahren, (mit?) ursächlich für diese Abgrenzung gewesen.
        Falls das aus meinem Text nicht ersichtlich war, tut es mir leid.
        Mir ging es genau um so einen sich gegenseitig bedingenden Prozess, wie du ihn auch beschreibst.

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      2. @Rhonda

        Das war auch nicht als Widerspruch, sondern vor allem orthogonal gedacht. 🙂 Ich habe deinen Beitrag durchaus als sehr bedacht in der Formulierung wahrgenommen. Wobei ich durchaus betonen will, dass am Anfang dieses Prozesses meiner Lesart nach Vertreibung und Diaspora stehen.

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  3. Wie darf man eigentlich in einer Spielrunde gemeinsam mit dir solche Tropes einbauen?

    Wann ist ein gieiriger Händler gierig, und wann ist eine Kultur die von magischen Dienstleistungen lebt böse?

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  4. Vielen Dank für den Beitrag Glumbosch,
    auch mich hat er zum Nachdenken animiert. Ich bin gedanklich abgeschwiffen als ich den Punkt „falscher Glaube“ in deiner Tabelle las und bei Novadis gelandet. Auch deren Glaube wurde gerade zu früheren Zeiten als „falsch“, Rastullah nicht als richtiger Gott dargestellt. Es wurde ein Gott zur Frauendiskrimierung eingeführt und das in Aventurien in der Geschlechtergleichheit Standard und begründet ist. Araber werden gerne als Vorlage der Novadis angesehen, deswegen ist es um so bedauerlicher, dass man diese dann so stark auf diese Frauenfeindlichkeit reduziert.

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  5. Vielen Dank, dass du immer wieder diese politischen Einordnungen und kritischen Reflextionen über Rollenspiel im Allgemeinen & DSA im Speziellen verfasst. Habe auch öfters Bauchschmerzen mit gewissen Setzungen und Ausgestaltungen, aber da mir Grolme bisher noch nie so richtig beim Spielen über den Weg gelaufen sind, war ich schon erschrocken, als du das nochmal so gegenüber gestellt hast.

    Aber grade beim Norbarden stelle ich mir immer die Frage, was geändert werden könnte/müsste.

    Ich habe als rollenspielender Jugendlicher sehr gerne meinen norbardischen Magier gespielt & damals vermutlich mit einer wilden Mischung aus Klischees gearbeitet (auch wenn bornländische/“russische“ Stereotypen sicher dominiert haben). Heute könnte ich das nicht mehr.

    Würde es aber bereits reichen, auf den Verweis zu jiddischen Begriffen zu verzichten? Oder ist die Konzeption des Volkes insgesamt einfach zu stark an eine problematische Version eines irdischen Volkes gekoppelt?

    Du schreibst, dass die Norbarden für dich facettenreicher sind als die Grolme & dass du dir nur gewünscht hättest, dass man weniger offensichtliche Verweise auf unsere Welt verwendet hätte. Ich gebe dir mit beidem Recht – sehe aber auch ein Problem darin, wie eine Entkoppelung von irdischen Vorbildern umgesetzt werden soll, wenn ganz Aventurien eigentlich nach diesem Prinzip irdischer Anleihen funktioniert. Mit anderen Worten, liest man aus westeuropäischer Bildungsperspektive nicht auch gewisse Stereotypen, wenn sie zB. nicht mit jiddisch inspirierten Begriffen beschrieben werden? Weil man ohnehin gelernt hat, Aventurien unter diese Lupe zu betrachten?

    Ok, aber am Ende schleppen wir natürlich ohnehin alle unsere eigenen kulturellen Voreingenommenheiten (biases) & angeeignete Stereotypen mit uns herum – alles kann die reaktionelle Vorlage auch nicht leisten, manches muss auch in den Köpfen der SpielerInnen passieren.

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  6. Tja, wie nähert man sich als rationaler SJW diesem Artikel?

    Mit der Hoffnung „Bitte verkacks nicht, bitte verkacks nicht!“.

    Ich habe gehofft, eine nüchterne und kühle Analyse zu finden, die nicht analysiert, weil Sie sich schon vorher auf ein Ergebnis festgelegt hat – sondern analysiert, um ein Ergebnis erwartungsoffen zu produzieren.

    In meinen Augen ist dieser Artikel eine Reproduktion lange bekannter Probleme, gepaart mit der Blindheit gegenüber den Fortschritten, die DSA in vielen Bereichen geschafft hat – auch unter Ulisses. Und diverse Übertreibungen mischen sich auch darunter. Was fehlt: Abwägungen, Gegenüberstellungen, Positivbeispiele der bisherigen Arbeit neuerer Autor*innen und Zeichner*innen. Ganz nebenbei auch ein Lektorat oder zumindest ein gewisser Anspruch an Groß- und Kleinschreibung, aber das ohne Einfluss auf den Inhalt.

    Eine gute Analyse muss nicht ausgeglichen sein – Gleichwertigkeit von Positionen schafft nicht immer ein gutes Abbbild der Wirklichkeit. Bei diesem Artikel hätte ich mir aber gewünscht, dass die Argumentation den Standpunkt herbeiführt und nicht der Standpunkt die Argumentation.

    Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll war, reale Vorbilder (in Mischungen und Abweichungen) für aventurische Kulturen zu wählen und wie man diese zusammenstellt. DSA ist so etwas geworden, und tatsächlich kommen hierbei Clichés ins Spiel (jedweder Wertung). Argumentierte man auf die Art des Autors, könnte man hier unterstellen, der Autor wolle die jüdische Kultur marginalisieren und unsichtbar machen, indem die (durchaus positiven) Aspekte, welche in die norbadische Lebensweise eingearbeitet wurden, löschen möchte. Man könnte argumentieren, die antisemitische Denke ist im Kopf des Autors weitaus stärker verwurzelt, als bei so manchem Fan, wenn ihm bei Grolmen, Kobolden, Goblins und anderen Phantasieprodukten zuallererst antisemitische Clichés der Juden einfallen.

    Man könnte aber auch mehr Beobachtende und weniger Urteilende sein, Dinge in Kontext setzen, Entwicklungen sehen und nicht jedem Positiven ein zwischen den Zeilen (oder auch mal in) stehendes „scheinbar……ABER“ entgegensetzen.

    Letztlich hätte ich mir auch gewünscht, der Autor hätte seinen Kapitalfehler nicht begangen: die Deutungshoheit an sich reißen. Hilfreich könnte hier an dieser Stelle nämlich auch einfach sein, was jüdische Menschen und DSA-Fans von der Thematik halten. Aber hier schreibt der Autor lieber selbst und über als zusammen mit Betroffenen.

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    1. Hallo Anselm,
      danke für dein Ausführliches Kommentar.
      Den Vorwurf Blindheit gegenüber den Fortschritten kann ich nicht Nachvollziehen. Ich erwähne, dass die Vergangenheit der Grolme bisher nicht in DSA5 aufgetaucht ist und dort die Grolme differenzierter sind (Lehrer an Magieschule). Auch sage ich bei den Norbaden, dass ich da eine Darstellung sehe die über das Klischee hinaus geht.

      „Hier sieht man jedoch, dass wenn sich die Redaktion bewusst ist, dass sie hier ein schwieriges Erbe des ältesten und größten deutschen Rollenspiels in der Hand hat dazu in der Lage ist aus einem als Klische angelegten Topos eine phantasiervolle Kultur zu machen.“
      hast du diesen Satz überlesen?

      Mein Hauptproblem ist ja mit den Grolmen. Ja, man hat mich darauf hingewiesen wie toll Norbaden in der Theaterritter Kampagne dargestellt seien. Toll für diejenigen die Diese Kampagne gespielt haben oder spielen. Ändert halt nichts drann das ich jiddisch als gimick nicht toll finde. Dürfen Leute gerne anders sehen.

      Ich nehme mir Tatsächlich raus meine Meinung auf meinem Blog zu veröffentlichen. Muss ich wirklich noch dazu schreiben, dass es sich um meine Deutung handelt?

      Spaßfakt: ich habe die Juden: die DSA spielen welche ich kenne (genau eine) habe ich tatsächlich angeschrieben. Keiner hat mir dazu geantwortet. Konntest du nicht wissen, hättest aber auch nicht das Gegenteil behaupten müssen. Ich habe in der Tat überlegt zu irgendwo nach Juden zu suchen die DSA spielen. Aber Menschen im Internet aufzufordern sich als Juden zu outen kam mir dann nicht klug vor.

      Ich dachte es wäre mit Begriffen wie „Rollenspiel-Alman“ klar geworden, dass ich keine Deutungshoheit für mich beanspruche. Aber gut dann eben hier: Der Artikel ist meine Lesart, es ist nicht die einzig mögliche Lesart.

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  7. Der Grolm war in den Anfängen von DSA mE nicht so explizit an dieses Sterotyp angelehnt. In der Orkland-Trilogie ist es ein Männchen mit großen Kopf, das Imkerei betreibt und im Abenteuer Xeldeons Rache sind die Waldgrolme eher noch Hobbits als etwas anderes.

    Das gezeichnete Grolmbild bei DSA5 zeigt irgend etwas (da gebe ich Dir recht) sehr unschönes*, aber gerade nicht das, was ein Grolm in DSA2 noch war.

    Die ursprüngliche Setzung war eher: Grolme tauchen auf, haben zufällig genau das was die Helden gerade brauchen, verlangen aber (Goldgier bedingten) überhöte Preise dafür. Sie waren also funktionell eine Art Jocker für den Spielleiter um den Helden aus der Patsche zu helfen. Das übrigens noch zu einer Zeit, in der jeder Held einen Goldgierwert hatte, so dass es kein exklusives Wesensmerkmal von Grolmen war.

    Dann wurden die Grolme in Myranor beschrieben, und zwar als Techniker (!) und als spielbare Klasse.

    Nun passte aber das Myranorbild nicht mehr gut zu den aventurischen Grolmen. Erst an dieser Stelle , mit dem Rückimport der Grolme als Kultur, wurde der Sterotyp des Wucherers forciert.

    Der Norbarde wiederum kanslisiert eher positive Sterotype, mitunter auch jüdische, aber nicht nur.

    *(Übrigens sind aber auch die Orks und die Goblins in DSA5 zu antropomorph geraten… und von letzteren wissen wir, dass sie u.a. im Festumer Ghetto leben).

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  8. Lieber Glumbosch, ich arbeite gerade an der Fertigstellung der Rakshazar-Spielhilfe „Hinter dem Schwert“, die unter anderem ein Grolmkönigreich beinhalten wird. Mit deinem Text, der durchaus „augenöffnend“ ist, hast du mir einiges zu denken gegeben. Ich möchte dich einladen, die bisherigen Texte zu unseren rakshazarischen Grolmen anzuschauen, damit wir ggf. Veränderungen vornehmen können. Nur soweit vorweg: Unsere Grolme sind sesshaft und ein ziemlich mächtiger „Player“ im Tal der Klagen, insofern hoffe ich, dass vieles, was in Bezug auf die aventurischen Grolme kritikwürdig ist, in unserer Iteration akzeptabler ist.
    Wenn du magst, können wir gern in Kontakt treten. 🙂
    Viele Grüße aus dem Riesland!
    Raphael Brack.

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    1. Hallo Raphael. Unter diesen Umständen muss ich darauf hinweisen, dass die Texte von mir stammen und ich deshalb in das Gespräch mit einbezogen werden möchte. Ich will da nicht von vornherein den Spaltpilz geben und höre mir Verbesserungsvorschläge gerne an. Aber ich gebe zu, dass mich das hier nicht besonders glücklich stimmt. Den Bezug zwischen Grolmen und Juden halte ich – gelinde gesagt – für weit hergeholt. So wie hier argumentiert wird, ist quasi jedes Händlervolk, egal wie es beschrieben wird, verdächtig, Querbezüge zum Judentum aufzuweisen. Und die sehe ich schon für die myranisch-aventurischen Grolme nicht. Und für meine schon gar nicht. Klar, ich habe den historischen Kanon übernommen, soweit es die Herkunft der Grolme angeht, der ist ohnehin nicht verhandeltbar, da ich an keinem Text mitwirke, der sich bewusst in Gegensatz zur gesetzten Historie Aventuriens oder Myranors setzt. Ansonsten ist meine Kreation stark an den Ferengi aus Star Trek orientiert, die ja auch nicht jüdisch angehaucht sind, sondern die Auswüchse des modernen Kapitalismus karikieren. Die mehrfache Verwendung von Ferengi-Erwerbsregeln sollte das hinreichend genug zum Ausdruck bringen. Auch bei der zweiten Zutat – dem latenten Konkurrenzkampf zu den Agrim, die ja auch ihre Höllenmaschinen bauen und wo jede der beiden Seiten besser sein will als die andere – geht es ausschließlich darum, die Enthemmung zweier Völker zu zeigen, die beim Versuch, einander zu übertrumpfen, das Wohl ihrer Umwelt aus den Augen verlieren. Sollte da etwas in die Texte hineininterpretiert werden, was nun weiß Gott da nicht drinsteht, muss ich mir vorbehalten, mein Einverständnis zur Veröffentlichung gegebenenfalls zurückzuziehen. Aber wie gesagt, ich bin gerne bereit zuzuhören.

      Grüße

      Tobias/Arantan

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      1. Tobias,
        es geht mir keineswegs darum, dass etwas umgeschrieben wird, sondern dass man quasi Testleser*innen darüber lesen lässt. Falls Kritik aufkommt, kann diese in eine etwaige Überarbeitung einbezogen werden.

        Ich habe hier nirgends geschrieben, dass ich da eigenständig etwas umformulieren würde.
        Da die Grolme einen großen Teil unserer Ausarbeitung ausmachen wäre es zumindest nicht verkehrt, bestimmte Dinge im Vorfeld abzuklären, so dass wir nicht ohne Not eine langjährig geplante Publikation in ein aktuelles Wespennest schmeißen, so als würden wir geradezu absichtlich Öl ins Feuer gießen.

        Selbstverständlich sind unsere Grolme eine Hommage an die Ferengi, das ist mir schon klar. Ist nur die Frage, ob das einem Testpublikum auch so klar ist oder ob eine Publikation im Verlauf der gegenwärtigen Debatte womöglich als bewusste Provokation interpretiert werden könnte. Und DAS wäre eine Rücksichtslosigkeit, die ich mir nicht ans Revers stecken möchte.

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    2. Ich bin da wirklich nicht die Autorität, im DSA Forum haben einige betroffene was geschrieben diese kannst du höflich darauf ansprechen, ob sie das lesen wollen.

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  9. Moin!

    Ich bin selbst gläubiger Jude und wurde hier in Deutschland traditionell erzogen. Außerdem spiele ich jetzt seit 7 Jahren DSA. Unter anderem mit einigen anderen Spielern aus meiner jüdischen Gemeinde.

    Ich bin ziemlich entsetzt, muss ich ganz ehrlich sagen. Mir fehlt ein wenig die Sprache und ich habe jetzt echt einige Momente gebraucht, um die richtigen Worte zu finden.

    Einfach, weil ich deine Ausführungen für vollkommen balla-balla halte.

    Natürlich, in Grolmen und Norbarden findet man das stereotypische Bild des Juden wieder. So what?
    DSA geht damit, vor allem in letzter Zeit, doch wirklich positiv um. In der Theaterritterkampagne zum Beispiel sind Norbarden die Hidden Champions, die Helden sollen sich für sie einsetzen. Es wird sogar explizit davon ausgegangen, dass die Helden Partei für dieses im Bornland unterdrückte Volk ergreifen und sich gegen die bornischen Normen stellen.

    In Almada sind alle hitzköpfig und im Horasreich alle etepitete – sollen sich spanisch und französischstämmige Spieler jetzt auch offended fühlen?

    Im Kosch sitzen die langsamen Bayern, in Thorwal die saufenden, plündernden Skandinavier, etc. pp. – die Liste kann ja beliebig weitergeführt werden.

    Rollenspiel bedient Klischees, das ist ganz normal, das macht die Spielwelt greifbarer – weil man dann beginnt, Konflikte zu begreifen, zu fühlen.

    Bitte hört auf, für uns offended zu sein. Das können wir so schon genug, denn es gibt auch ernstzunehmende Probleme mit Antisemitismus in Deutschland. Ich wünsche, du hättest deine Zeit dafür investiert, dich gegen diesen einzusetzen – und nicht gegen DSA.

    Und, ich höre es schon: Kommt mir nicht mit „Wenn du das nicht erkennst, bist du Teil des Problems!“.
    Das ist Quatsch.
    Ihr habt keine Ahnung, wie es ist, Jude zu sein. Wir schon.

    Ich hoffe, du kannst de

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    1. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. „Bitte hört auf, für uns offended zu sein. “ Das verstehe ich nicht so ganz, wie ich das umsetzen soll jenseits davon, dass outcalling wohl eher von betroffenen gemacht werden sollte. Ich wohne in Chemnitz. Da ist einiges was ich offensive finde „für euch“ . Soll ich das lassen was zu sagen wenn jemand Jude als Schimpfwort benutzt? Ich meine die Frage total ernst und will mich nicht über dich lustig machen. Ich weiß nicht wo ich die Grenze zwischen wegschauen und „für andere offended“ sein ziehen kann.

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  10. Moin!

    Ich würde die Grenze spontan dabei ziehen, keinen mehrseitigen Blogeintrag über Antisemitismus in einer imaginären Fantasywelt zu verfassen.

    Es ist toll, dass du Zivilcourage hast. Die sollte jeder von uns haben. Die ganze Welt ist, was das angeht, in letzter Zeit ein Trauerspiel. Jeder sollte einschreiten, wenn jemand beleidigt wird. Egal, ob er als Schwabe, Nerd oder Jude beschimpft wird (will sagen: wenn es als Beleidigung benutzt wird).

    Aber in diesem Couragewahn schießt du am Ziel vorbei. DSA beleidigt uns nicht. Also, außer vielleicht manche Fokusregeln. Wir haben Spaß daran. DSA ist kein Rechtsradikaler, der leider zu wenig Bildung und Liebe in seinem Leben erfahren konnte und der mich wahrscheinlich irgendwie hart verprügelt, weil ich BWL studiert habe und dementsprechend echt ein körperlicher Lappen bin. Wir müssen hier nicht aus übersteigerter Zivilcourage in unserem Empfinden bevormundet werden (denn genauso fühlt sich das an). Wir können Ulisses schon selbst sagen, was uns stört, wovon wir uns diskriminiert fühlen, etc. Immerhin ist das hier das Internet.

    Der Schlüssel ist ganz simpel: Wenn sich alle Menschen einfach mit mehr Liebe begegnen würden und aufhören würden, dem anderen etwas Böses zu wollen, wäre diese Welt ein besserer Ort.

    Bye,
    Florian

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    1. Der erste Teil war mir klar, das meinte ich mit „out calling“.

      Dass du diesen Text absolut nicht anschlussfähig , „bala bala“ , einstufst ist bei mir angekommen.

      Mir ging es um andere Fälle. Z.b. eenn ich eine Karikatur in einer Zeitung antisemitisch finde, lieber nichts dazu öffentlich sagen bis jüdische Personen sich dazu äußern?

      Ich bitte darum um Verzeihung, dass ich den Text offenbar so geschrieben habe, dass es so ankommt ich wähnte mich im Besitz der einzig wahren Wahrheit und meine Lesart ist die einzig mögliche und ich könne Stellvertretend für Juden sprechen.
      Nichts davon ist der Fall.

      Im DSA Forum haben sich auch ein paar Juden gemeldet die es etwas anders sehen ob das Stereotypen reproduziert werden.

      Wie kommst du darauf, dass ein Mangel and Liebe und Bildung Rechtsradikale macht? Zumindest die Forschung, die ich rezipiert habe, sieht da keine Anhaltspunkte für.

      „Und da es immer wieder zu Verwirrungen kommt: Ich glaube nicht, dass die Spielerschaft oder die an DSA Schaffenden besonders Diskriminierend sind. “
      Habe ich geschrieben, verstehe also nicht warum du es notwendig findest nochmals darauf hin zu weisen, dass Ulisses kein Rechtsradikaler ist, habe ich auch nicht behauptet.

      Das man im Internet einfach seine Meinung sagen kann um Diskriminierung an zu sprechen die man als Betroffene*r empfindet sehe ich ebenfalls anders. Frauen die über Sexismus sprechen erhalten , dementsprechend verzichten viele darauf sich zu äußern.

      Ich gebe zu, dass vermutet habe, dass ich auch deshalb absolut nichts zu einer jüdischen Perspektive auf DSA gefunden habe. (Mit Ausnahme vielleicht von Marina Weißband die manchmal vom DSA LARP berichtet, aber da geht sie auch nicht explizit auf eine jüdische Exegese ein) Man mag es mir gerne als Hybris auslegen, dass ich nicht stattdessen annahm, dass es einfach nichts Beklagenswertes aus einer Antismentismuskritischen Perspektive über DSA zu sagen gibt. Aber die Abwesenheit von Beweisen ist eben nicht der Beweis der Abwesenheit.

      Die Idee das das Leid in der Welt im wesentlichen aus bösen Intentionen heraus entsteht, und so verstehe ich deinen Schlüssel, teile ich auch nicht.

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  11. Ich bin als russisch-jüdischer Kontingentflüchtling 1990 nach Deutschland gekommen mit meinen Eltern. Ich bin kein praktizierender Jude, habe aber Zeit meines Lebens in Berlin immer große Überschneidungen mit einigen Teilen der jüdische Gemeinde dort gehabt. Meine ersten Rollenspielerfahrungen sammelte ich mit DSA 4 und 4.
    Ich halte es jedoch für eine Fehlentwicklung des weltweiten Diskurses, dass es biographische Legitimation braucht, um Medien und ihre Inhalte zu analysieren und zu kritisieren. Glumbosch Analyse verliert für mich nicht an Wert oder Stichhaltigkeit, weil er Muslim, Scientologe oder Pastafari ist. Zumal er sich hier nicht aufschwingt, die Speerspitze einer „Bewegung“ darstellen zu wollen.

    Inhaltlich finde ich die Beobachtungen und Schlüsse des Blog-Eintrags zumindest interessant und meistens sogar richtig. Grolme haben wir damals nicht wirklich mitbekommen und die Nobarden habe ich als vage interessant und „cool“ in Erinnerung.

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  12. Oder aber man hat Juden nie als die gierigen Händler gesehen und konnte daher in den Grolmen auch nie was jüdisches erkennen. ; )
    Ist bei mir zumindest so.

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  13. Hallo Leute,

    Ich habe hier viel bedenkenswertes aus allen Richtungen gehört.
    Wirklich Spannend.
    Ich spiele inzwischen fast dreißig Jahre DSA und Rückblickend haben mir damals sicher die Klischees der verschiedenen Regionen geholfen überhaupt den Einstieg in die Fantasy-Welt zu bekommen. Ich war da 16 und wäre vom Niveau heutiger Publikationen vermutlich überfordert gewesen.
    Heute sehe ich vieles in den Setzungen kritischer. Beispiele wurden zahlreich genannt. Grolme gehörten für mich bisher nicht dazu. ( und ich bin da noch unendschieden, ob ich die Einordnung des Einstiegstextes teile) Aktuell beschäftigen mich da Novadis u Mohas mehr. Ich spiele schon immer DSA mit weißen Frauen (selten) und Männern. Unsere Runde ist also nicht gerade heterogen. Und doch finde ich heute einige Setzungen etwas peinlich.
    Die Debatte hier stimmt mich im ganzen aber positiv. Denn sie zeigt, trotz Differenzen, wie sensibel wir hier auf verschiedene Setzungen reagieren können.

    Zum Schluss noch einige traurige Anekdote aus der Anfangszeit meines Dsa Spielens, als uns ein Spielinteressierter vom Spieleladen vermittelt wurde. Mit seinem Zwerg stürzte sich dieser Mensch in den Kampf gegen einen Ork mit den Worten: “Stirb du Jude!“ Wir übrigen Spieler waren geschockt/verblüfft und mit der Situation völlig überfordert. Es gibt leider auch unter Rollenspielern Rassisten.
    Denen möchte ich auch in dsa keinen Boden lassen.

    Beste Grüße Christian

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  14. Ein sehr spannender Beitrag!
    In der Bewertung des Sachverhalts bin ich hin- und hergerissen. Einerseits haben sich die Autoren sicherlich dieser Klieschees und Elemente bedient. Jedoch wäre mir das ohne diesen Artikel nie aufgefallen. Das Klischee hat also bei mir nicht funktioniert, insofern konnte es, denke ich, auch keine Wirkung entfalten.

    Anders verhält es sich hingegen bei sexistischen Klischees, die in der Fantasyliteratur (und darüber hinaus) oft anzutreffen sind, zum Beispiel die hilflose Frau, die vom Drachen oder wem auch immer entführt wurde und gerettet werden muss. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um eine weibliche Person, das Klischee wirkt; ein Grolm ist jedoch per se kein Jude. Lediglich das Wissen über die Parallelen macht ihn (je nach Sichtweise) dazu.

    Mit großen Sorgenfalten sehe ich in diesem Zusammenhang der Veröffentlichung der „Dampfenden Jungel“ entgegen. Dort befürchte ich, dass die Darstellung der indigenen Bevölkerung kolonialistische und/oder rassistische Klischees reproduzieren könnte, wenn auch unbewusst.

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  15. Gibt es ein Fazit oder eine Synthese aus der Diskussion im DSA-Forum? Die Diskussion wurde ja den Augen der Öffentlichkeit entzogen.
    IMHO gibt es auch in der Bloggerszene zu wenig Interesse am Grolm-Gate.
    Hat Ulisses in irgendeiner Form reagiert?

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  16. Lebenswirklichkeit aus Sicht des Subjektes differenziert zwischen abgeleiteter kreativer Schöpfung und bösartiger Herabwürdigung. Der RPGler lebt in ersterer, und Menschen wie der Autor hier, machen sie zu letzteren. Die Intention ist von Relevanz. Ansonsten ist es das Erstellen einer neuen Lebenswirklichkeit nicht auf Grundlage des moralischen Handelns, sonder auf Grundlage einer Autosuggestion, die den Naiven zum vermeintlichen Täter macht. Was dann totaler Quatsch ist, und dieser Sinnzusammenhang alleine vom Autor nachträglich retrospektiv unterstellt wird.

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  17. Ich habe jetzt verschiedene Artikel dieses Blogs gelesen und mir stellenweise inhaltliche Kritik überlegt.

    Ich bin jedoch zu dem Schluss gekommen mich darauf zu beschränken, dass ich in allen Punkten (!) anderer Meinung bin. Wenn man so sehr diametral anderer Meinung ist, bringt es nichts zu diskutieren.

    Menschen sind halt unterschiedlich. Wahrscheinlich ist das der einzige gemeinsame Nenner.

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  18. Nach dem ersten Gedanken „Hier hat wohl jemand nach der in den USA aufploppenden Dunkelelfen-Debatte ein ‚Will auch!!‘ gesucht.“ und der folgenden Entscheidung, erstmal gründlich nachzudenken und zu -lesen statt dem regeltechnischen Nachteil „Impulsiv“ nachzugeben, sind mittlerweile 6 Monate vorüber, und ich habe mich anders als der Vorredner doch noch dazu entschlossen, hier zu schreiben. Denn in meinen Augen hat der Blogger in der Tat ein nicht existierendes Ziel ausgesucht.

    Klischees und kulturelle Aneignung
    Ganz offensichtlich verwenden die allermeisten Rollenspiele Klischees oder Kategorien, auch kultureller Art, so wie es so ziemlich jede fiktionale Geschichte tut. Jede Art von Fiktion, die sich in irgendeiner Weise an irdisches anlehnt, Kulturen, Strukturen, schon allein die Tatsache, daß wir Menschen eine relevante Spezies auf dieser Erde sind, bedient sich dieser Klischees, denn sie ermöglichen den Lesern einen Einstieg in die fiktionale Welt, ohne jedes kleinste Detail zuerst beschreiben zu müssen. Bei Rollenspielen ist das in noch größerem Maße der Fall. Es gibt dafür den Begriff „shared imagination space“ (weiß leider nicht mehr, wer den Begriff prägte), eine Vorstellung,
    die allen Spielern zur Verfügung steht, ohne erklärt werden zu müssen. Zu einem (starken) Klischee wird diese gemeinsame Vorstellung, wenn sie a) viel zu einfach, b) zu unvollständig, c) zu verallgemeinernd ist. In Fabeln, Märchen, Legenden und einfachen Rollenspielgeschichten sind immer wieder die gleichen Figuren zum Beispiel listig. Auf Dauer wäre dieses Stereotyp aber langweilig. Gleichzeitig lassen sich kulturelle Eigenheiten, und die gibt es zweifellos, im Durchschnitt (!) auf diese Weise ganz gut darstellen. Es ist gerade in Rollenspielen-Systemen, wo den Spielern die Welt im Regelwerk plastisch vorgeführt werden will, nicht zu vermeiden, solche Eigenheiten zu
    beschreiben. Vielleicht nicht ganz elegant, aber gut funktionierend und vor allem Stereotyp-vermeidend ist das Herauspicken und Mischen, was die DSA-Redaktion mit der Regelversion 2 begann und seither konsequent vertiefte. So ziemlich jede Kultur/Region ist aus mindestens 3 irdischen Kulturen zusammengepickt und dann noch mit Einzelheiten verfeinert.
    Würde man das alles vermeiden, dann wäre jegliche Fiktion, nicht nur Rollenspiele, auch Belletristik zu hinterfragen: Warum hat der Protagonist eigentlich zwei Beine und zwei Arme? Warum gibt es ein Feudalwesen? Warum gibt es das Konzept „schön“? Ja, natürlich sind das auf die Spitze getriebene Beispiele – sie sollen verdeutlichen, wieviel wir in fiktionalen Geschichten gerne hinnehmen, obwohl es sich immer um übernommene Klischees handelt.

    Parallelen zu jüdischer Kultur
    Im Falle jüdischer Kultur fallen mir an Aspekten, die im DSA-Regelwerk verarbeitet wurden ein:
    -Einige Elemente des Jiddischen sind ins Alaani der Norbarden eingegangen. Ebenso könnte man eine Betonung auf den Handel als jüdisches Merkmal dort wiederfinden. (Wer in der Schule aufgepaßt hatte, kennt die Hintergründe in Europa.) Der osteuropäische Akzent der Norbarden ist über das osteuropäischen Judentum indirekt damit verknüpft, das wäre aber noch weiter hergeholt als der Handel.
    -Der Golem-Mythos ist als eine Spielart der Beschwörungsmagie verarbeitet.
    -Die Speisegebote finden sich in einer Anspielung auf ihre Detalliertheit bei den Novadi wieder.
    -Die Kaballah ist in der Zahlenmystik der Erzzwerge abgebildet.

    Grolme? Handel ist in der weiter ausgearbeiteten Grolm-Kultur auch ein wesensbestimmendes Merkmal. Und es gibt eine Parallele zur Vertreibung aus Rom in den neueren DSA-Regelwerken. Damit hat es sich in meinen Augen auch. Die Vertreibung von Minderheiten in Rom traf auch andere Gruppen, je nach aktuellem Nutzen der Machthaber, im wesentlichen aus machtpolitischen Gründen, und das traf auch nicht immer nur religiöse Gruppen. Diesen Aspekt so zu interpretieren, daß die grolmische Kultur als Abbild der jüdischen dargestellt wird, ist prätentiös – diese Interpretation übersieht willentlich alles darum herum.

    Grundsätzliche Behandlung von alten und neuen gesellschaftlichen Fragen
    Wie schon weiter oben im Mechanismus des Mischen von Klischees angeführt hat die DSA-Redaktion sehr früh begonnen, mit einigen gesellschaftlichen Gewohnheiten unserer europäischen, christlich/humanistisch und feudalistisch geprägten gesellschaftlichen Gewohnheiten zu brechen:
    -Ganz zuvorderst ist natürlich die weitverbreitete Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu nennen, die es schon in DSA 1 gab. Die zweite Regelversion, die überhaupt erst einen umfangreichen Kultur-Atlas lieferte, machte in der Vielfalt natürlich hier und Ausnahmen: Hexen sind überwiegend Frauen (aber nicht nur, und eine männliche Hexe ist auch mit dem weiblichen grammatikalischen Artikel benannt…), und Druiden sind überwiegend Männer. Die Novadi-Kultur ist patriarchalisch (Ausnahme zur Ausnahme:Die Achmad’Sunya) und wird durch das matriachale Maharanyat ausgeglichen. Dann gibt es noch Nostria und Andergast, die gezielt als super-hinterwäldlerisch dargestellt werden, und es gibt die Geschichte der mittelreichischen Kaiser vor Rohaja, die mit Hela-Horas spielintern begründet ist, es gibt die nur weiblichen Zibilja. Es gibt die Zwerge mit einem
    asymmetrischen Geschlechterverhältnis, das wiederum ganz spezielle Konsequenzen hat. Und es gibt die Repräsentation einer klassisch männlichen Domäne in der irdischen Kultur – des Kampfes – durch eine weibliche Gottheit. Das kam alles zu Zeitpunkten, wo manche andere Rollenspiele sogar noch pauschal die Körperkraft weiblicher Figuren mit einem Malus versahen.
    -Wenn wir bei Gottheiten sind – die Rahja-Kirche, zuständig für Freude, Liebe, Rausch etc. orientiert sich sehr deutlich an antiken Istar-Kulten, und damit wurde eine ganz wesentliches Tabu-Thema der christlich geprägten europäischen Gesellschaft ins Freie gezerrt. Und ich selbst merke immer wieder, wie schwierig das im Rollenspiel stilvoll umzusetzen ist ohne in Kalauer zu verfallen, für einen Menschen, der eben durch diese Gesellschaft geprägt ist. Ähnliches gilt für gleichgeschlechtliche Liebe. Man kann sogar behaupten, daß Das Schwarze Auge der Gesellschaft vorausgegangen ist.
    -Orks – auch wenn sie im ersten Regelwerk genauso wie anderswo nur Heldenfutter und AP-Lieferant waren, wurden sie relativ bald drauf im Orkensturm massivst aufgewertet, wurde im individuellen Kampf ungleich gefährlicher und oft dem Menschen überlegen, und bekamen eine Gesellschafts-Struktur, die mehr als nur „Orks sind böse und aggressiv und oft auch dumm“ beinhaltet. Verwendete irdische Kultur: In erster Linie zentralasiatische Steppenvölker wie Hunnen oder Mongolen; außerdem der antike Mithras-Kult (Brazoragh)
    Was haben Orks mit gesellschaftlicher Diskriminierung zu tun? Es ist kein Volk grundsätzlich böse, wie es in anderen Spielsystemen mit böse/neutral/gut-Unterteilung der Fall ist. Und auch die Grolme haben nach dem ersten Erscheinen eine differenziertere Kulturgeschichte bekommen.
    -Der genannte Verweis im „Erntefestmassaker“ ist genauso wie die anderen Verweise auf den Nationalsozialismus (z.B. „Quitsling“) offensichtlich bewußt gewählt, und für mich offensichtlich genauso bewußt immer in einen negativen Zusammenhang gestellt. Man kann natürlich persönlich solche Verweise nicht mögen; man kann auch sämtliche Verweise auf irgendetwas irdisches nicht mögen. In diesem Spiel haben die Redaktionen immer wieder hier und da verschiedenste Verweise untergebracht, bei Ortsnamen, bei Personennamen, bei der Historie. Die Gründe sind im ersten Absatz schon angeschnitten. Und dabei kann sich eine Redaktion entscheiden: Entweder werden auch aus dem Nationalsozialismus Elemente verwendet und eindeutig negativ dargestellt – dann ist das auch eine reflektierte Aussage. Oder es werden Elemente ohne Statement – dann ist das etwas töricht oder Absicht.
    Oder jeglicher Verweis wird bewußt vermieden – dann würde dieser Teil der irdischen Geschichte bewußt ausgeblendet, sei es aus Unbehagen, Unvermögen oder aus absichtlichem Verschweigen. Ich, ich persönlich, halte es für richtig, als ein Teil der Erinnerungskultur, wie diese Verweise gestaltet sind.

    Alles in allem macht die DSA-Redaktionen bei diesem Thema trotz der ursprünglichen Titelbilder der allerersten Hefte auf mich einen ziemlich progressiven Eindruck. Niemand ist perfekt, wie man an „Wege der Vereinigung“ sehen kann – das ist echt Panne!
    Der Vorwurf des Bloggers richtet sich an die Redaktion eines Spielsystems, in dem schon sehr früh ein differenziertes Bild gezeichnet wurde, was in der Fantasy nur an wenigen anderen stellen so früh vorkam. Doch kommen wir zum eigentlichen Thema zurück.

    Darstellung der Grolme
    Die ersten Grolme, denen ich begegnete, waren im Orkland. Dort waren sie klar als Antagonisten aufgebaut: Ein Volk, das seit Generationen Orks als Sklaven hält. Der erste Grolm, dem die Spieler dabei begegnen, ist ein Imker. Die Betonung auf den Handel und die spezielleren Methoden (Übervorteilung der Handelspartner) kamen dann später in der detaillierteren Beschreibung. Die bildliche Darstellung war zunächst ziemlich feist, während spätere Darstellung – auf die der Blogger sich bezieht – sehr Ferengi-haft aussehen, so Ferengi-haft, daß man schon, wäre es ein anderes Franchise, mit Unterlassungsklagen rechnen müßte… Das Reiben der Hände ist eine Geste der hämischen Freude, die zumindest auch schon vor dem Nationalsozialismus beschrieben ist (Büchner: Dantons Tod). Ich glaube, ich kann ohne Bedenken davon ausgehen, daß diese Geste schon vor irgendwelchen Händler-Karikaturen verbreitet war. Im Englischen findet sich auch diese Geste in ähnlicher Bedeutung. Dann gibt es noch die auch oben schon angesprochene Vertreibung der Grolme aus Bosparan. Mit dem Handel an sich (ohne die Geste, versteht sich) und einer Vertreibungsgeschichte hat es sich dann auch mit den tatsächlichen Bezügen.
    Die Liste an Ähnlichkeiten kommt mir da schon sehr weit hergeholt und vor allem sehr weit herbemüht vor. Große Ohren und Nasen? Äh… die Köpfe sind an sich etwas größer im Vergleich zu menschlichen Proportionen – üblich bei kleinen Humanoiden in der Fantasy. Sehen aus wie Menschen, sind aber keine? Das trifft auch auf Elfen und Zwerge zu. Spitzer Haaransatz? Den könnte man auch bei Sadrak Whassoi oder Helme Haffax so sehen. Auch die anderen genannten Punkte kann man in einem Klischee wiederfinden, oder genausogut auch anderswo.

    Nach langem Nachdenken bin ich zu der unangenehmen Überzeugung gekommen, daß es tatsächlich neben den häßlichen offen sichtbaren Ausprägungen auch da, wo man ihn gar nicht erwartet, einen subtilen strukturellen Antisemitismus im Lande gibt. Er besteht darin, daß Menschen manchen negativen topos sofort als „jüdisch“ wahrnehmen.

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    1. Danke, dass du dir die Zeit zum Antworten genommen hast.
      Natürlich ist es Teil des Problems das ich, und viele Deutsche, praktisch nichts über modernes jüdisches Leben weiß. Mein Wissen liegt vor allem im Bezug auf ihre Feinde.
      Topoi haben keine eindeutige Bedeutung sie sind kulturabhängig. Es ist schön für dich wenn du hakennasige gierige Händler mit Wasserkopf und Vertreitungsgeschichte einfach nur als witzige Figur sehen kannst. Ich halte das für töricht, solang Dogwhistles ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hundepfeifen-Politik ) gegen Juden in Stellung gebracht werden. Ja bei der Suche nach solchen Zeichen kann man leicht als Paranoid dargestellt werden. Das ist ja der Grund warum Rechtsextreme sie nutzen. Ich unterstelle der Redax keine Absicht, dachte ich würde auf taube Ohren stoßen, so hätte ich den Text nicht geschrieben. Ich glaube das Teile der Grolmdarstellung ein sehr unglückliches Klischebündel sind, die an Ideen anschlussfähig sind an die sie nicht anschließen sollten.

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