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Rollenspiel als Kunst ernst nehmen

Den Kenner unterscheidet vom stumpfen Konsumenten eben auch der Willen zur kritischen Rezeption. Das Rollenspiel verdient es, als Kunstform ernst genommen zu werden. Dazu gehört meines Erachtens eine enttrivialisierte Werkschau.

Das Rollenspiel ist in Deutschland sehr akademisch geprägt: aus den nerdigen rollenspielenden Kindern, wurden nerdige rollenspielende Studierende die jetzt Akademiker*innen sind. Und wenn ich deutsches Rollenspiel sage meine ich damit vor allem das beliebteste Regelwerk in Deutschland: Das Schwarze Auge (DSA). Wer sich das komplexe Moloch DSA mit Vergnügen aneignet hat, der scheitert selten an Studieninhalten. Auch bei der aktuellen und vergangen Autorenschaft, nicht nur bei DSA, sind akademische Abschlüsse überproportional häufig anzutreffen. Das Lesen, Begreifen oder gar Verfassen langer ist weniger Zeichen von Intelligenz als Übung, die eben eine akademische Laufbahn begünstigt und durch sie vertieft wird. Damit haben komplexe Regelsysteme ein veritables Klassismusproblem. Das kann man mit Abstrichen auch über den deutschen Buchmarkt sagen, aber darum geht es mir auch nicht. Angesichts der sehr akademisierten Rollenspielszene ist die Rezeption geradezu vulgär.


Beschwerde über Produktpreise und Lieferverspätungen nehmen zumindest in der Szeneöffentlichkeit eine große Rolle ein. Der „Preis pro Seite“ wird im Wiki-Aventurica, das die Spielwelt von DSA dokumentiert, bei Infokasten zu Publikationen mit angezeigt. Vor allem arme Menschen müssen auf den Preis achten, aber denen kann man ja mit Privatkopien helfen. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die Fanszene aus Sorge um arme Kinder auf der Preispolitik der Verlage diese Metrik veröffentlicht, sondern um das Konzept eines Preis/Leistung Verhältnisses irgendwie in eine Zahl zu quetschen. Als Schreiberling würde mich so etwas gerade zu kränken.

Screenshot des Wiki Aventurica, der den Informationskasten zur Publikation „Die Dampfenden Dschungel“ , neben Verlag sind auch der Preis und der Preis pro Seite neben weiteren Informationen aufgeführt.

Ja gut der Endkampf hat Spaß gemacht, aber warum? Hat die narrative Struktur ein Bedürfnis in mir nach der Heldenreise befriedigt, von dem ich mir gar nicht bewusst war? Hab ich mich einfach nur über mein Würfelglück gefreut? Kann die Situation der Goblins in der Theaterritter-Kampagne als Allegorie für weltliche Marginalisierte gelesen werden? Hat der NSC über 20 Author*innen und 7 Publikationen hinweg einen schlüssigen Charakterbogen durchlaufen? Die Werkgattung des Settingbandes und des Abenteuers sind eher mit dem des Drehbuches vergleichbar, bei denen auch die Inszenierung wichtig ist. Eigentlich ist es schlimm, dass immer noch in der Schulde Drehbücher gelesen werden statt Videos von Inszenierungen. Wir bewerten einen Kuchen auch nicht danach, ob das Rezept schön geschrieben ist. Aber wir haben in beiden Fällen auch ein Stück weit Kochbücher vor uns.

Da aber Rezensionen und Kritiken sowieso nur wenig geschrieben werden, bleibt es wohl frommer Wunsch eine Art professioneller Kritik als Wertschätzung zur Kunst zu etablieren. Ich komme dem ja auch selbst oft nicht nach, wie denn auch? So gibt es bisher keine Zeitungen, die regelmäßig dafür bezahlen würden, sodass man von Rollenspielkritik leben könnte. So bleibt mir nur, mich an die Verlage und Autorenschaft zu richten: Wir sehen, dass ihr Kunst macht, auch wenn wir das nicht so oft zum Ausdruck bringen. Lasst euch nicht als Kleinkunst oder bloßes Konsumgut geringschätzen. Die Hochkultur ist vor allem eine Kultur der hohen Nasen. Vielleicht bleibt wenigstens der Impuls bei einigen ihre Rollenspielschätze nochmal mit neuen Augen zu sehen und ganz anders Wert zu schätzen.

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2 Kommentare zu „Rollenspiel als Kunst ernst nehmen

  1. Ich bin über twitter auf diesen Beitrag gestoßen, deswegen der späte Kommentar.

    Grundsätzlich stimme ich dir zu. Rollenspiel, Abenteuer, SCs und NSCs sowie ihre Darstellung können eine Kunstform sein. Und für viele Leute ist es (meine Erfahrung nach) auch wichtig, dass alle Beteiligten in einer Spielrunde mit den kreativen Erzeugnissen ihrer Mitspieler respektvoll umgehen. Dasselbe sollte (so wie im Umgang mit jedem Menschen) auch bei Rezensionen, Kritik und sonstiger Interaktion mit den offiziellen DSA-Autoren gelten.

    Den Rest deines Eintrags find ich allerdings ein bisschen schwierig. Ich kenne mich mit dem Berufsstand und Bildungsabschlüssen der meisten PnP-Spielenden nicht aus, ich weiß auch nicht, ob es da Erhebungen gibt.

    Meinem persönlichen Eindruck entspricht es aber nicht, dass die meisten Rollenspielenden auch Akademiker*innen sind. Ich will nicht bestreiten, dass Akademiker*innen in der deutschen Medienwelt generell (und damit auch in der Pen-and-Paper-Szene) überrepräsentiert sind, aber du schließt mit Leichtigkeit folgende Gedankenketten:

    DSA ist kompliziert → Wer DSA versteht, befasst sich vermutlich auch sonst mit komplizierten Inhalten → Wer DSA versteht, ist Akademiker*in

    Die Rollenspielszene ist stark akademisch → Die Rollenspielszene sollte nicht so vulgär in ihrer Rezeption von Veröffentlichungen sein

    Diese Gedankenketten machen aber nur Sinn mit folgenden Grundgedanken:

    a) Nur Akademiker*innen verstehen komplizierte Inhalte bzw. die Beschäftigungen von Nicht-Akademiker*innen erfordern nicht das verstehen komplizierter Inhalte

    b) Akademiker*innen sind weniger vulgär als Nicht-Akademiker*innen

    Diese Grundgedanken sind zutiefst klassizistisch. Warum? Du nimmst an, dass Nicht-Studierte in ihrem Alltag kaum komplexen Inhalten ausgesetzt sind. Dass sie das nicht verstehen können/wollen und deswegen auch nicht studiert haben. Das ist erstens ein falsches Bild von nichtakademischen Berufen – von Bauzeichnung über DIN-Norm bis zur Buchhaltung ist der Alltag von Nicht-Akademikern oft genauso komplex wie der von Akademikern. Zweitens sind Nicht-Akademische Berufe kein „Abstellgleis“ für Leute, die zum Studium zu blöd waren, sondern einfach nur ein anderer Lebensweg. Auch ist der Tonfall an manchen nichtakademischen Arbeitsplätzen zwar durchaus rauer als im typischen Uni-Umfeld – aber das heißt nicht, dass Nicht-Studierte sich auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes ausschließlich vulgär und in Dreiwortsätzen ausdrücken können.

    Auf diesen Grundgedanken also einen Text aufzubauen, der den Klassizismus der Rollenspiel-Szene anprangern soll, ist etwas ungünstig.

    Dazu kommt, dass auch dein Text mehrere Rechtschreib- und Formatierungsfehler aufweist – auch das widerspricht dem Grundgedanken deines Statements.

    Ich will hier keine Werbung machen. Ich schreibe aber selber immer wieder Rezensionen zu DSA-Produkten, in denen ich auch von Zeit zu Zeit auf so Themen wie Charakter-Arcs, Foreshadowing, NPC-Entwicklungen etc. zu sprechen komme. Ich bin Handwerker. Die meisten Leute, mit denen ich spiele, haben kein abgeschlossenes Studium, die Leute, unter denen ich das Rollenspiel gelernt habe, waren Schüler*innen, Auszubildende und Arbeiter*innen. DSA ist vielleicht eins der umfangreicheren Rollenspiele (was die meisten Spielenden ja auch schätzen), aber es ist nicht so kompliziert, dass man dafür ein Hochschulstudium bräuchte.

    Auch nicht, um drüber zu schreiben 😉

    Abgesehen davon ist eine Rezension relativ witzlos, wenn man nicht kritikwürdige Punkte auch anspricht… natürlich sollte man dabei, wie eingangs festgestellt, wertschätzend, höflich und respektvoll bleiben. Aber wenn ich die SC-Führung oder die Erzählstruktur oder sonst etwas scheiße fand, dann können die Rollenspiel-Produkte (auch, wenn man sie als Kunst ansieht) nur besser werden, wenn sie eben auch kritisiert werden.

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